Hello, world!

Hallo,schön dass du hier bist, ich wünsche dir viel Spass beim Stöbern.

 


So viele Dinge liegen aufgerissen
von raschen Händen, die sich auf der Suche
nach dir verspäteten: sie wollen wissen.

Und manchmal in einem alten Buche
ein unbegreiflich Dunkles angestrichen.
Da warst du einst. Wo bist du hin entwichen?

Hielt einer dich, so hast du ihn zerbrochen,
sein Herz blieb offen, und du warst nicht drin;
hat je ein Redender zu dir gesprochen,
so war es atemlos: Wo gehst du hin?

Auch mir geschahs. Nur daß ich dich nicht frage.
Ich diene nur und dränge mich um nichts.
Ich halte, wartend, meines Angesichts
williges Schauen in den Wind der Tage
und klage den Nächten nicht ...
(da ich sie wissen seh).

Rainer Maria Rilke

 

Eingang

Wer du auch seist: 
am Abend tritt hinaus 
aus deiner Stube, drin du alles weißt; 
als letztes vor der Ferne liegt dein Haus 
wer du auch seist. 
Mit deinen Augen, welche müde kaum 
von der verbrauchten Schwelle sich befrein, 
hebst du ganz langsam einen schwarzen Baum 
und stellst ihn vor den Himmel: schlank, allein. 
Und hast die Welt gemacht. Und sie ist groß 
und wie ein Wort, das noch im Schweigen reift. 
Und wie dein Wille ihren Sinn begreift, 
lassen sie deine Augen zärtlich los...

(aus: Das Bucht der Bilder, 1902)

 

 

Der Panther

Im Jardin des Plantes, Paris

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe 
so müd geworden, daß er nichts mehr hält. 
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe 
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, 
der sich im allerkleinsten Kreise dreht, 
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, 
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille 
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein, 
geht durch der Glieder angespannte Stille - 
und hört im Herzen auf zu sein.

(aus: Neue Gedichte, 1907)

 

Ich fürcht mich so vor der Menschen Wort. 
Sie sprechen alles so deutlich aus: 
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus, 
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott, 
sie wissen alles, was wird und war; 
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar; 
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern. 
Die Dinge singen hör ich so gern. 
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm. 
Ihr bringt mir alle Dinge um.

(aus: Mir zur Feier, 1909)

 

Der Tod ist groß. 

Wir sind die Seinen 
lachenden Munds. 
Wenn wir uns mitten im Leben meinen, 
wagt er zu weinen 
mitten in uns.

("Schlussstück"aus: Das Buch der Bilder, 1902)

 

Komm her ins Kerzenlicht. Ich bin nicht bang,

die Toten anzuschauen. Wenn sie kommen,
so haben sie ein Recht, in unserm Blick
sich aufzuhalten, wie die andern Dinge.
Komm her; wir wollen eine Weile still sein.

(aus: Requiem für eine Freundin, 31.10.-2.11.1908, Paris)

 

Wir gehen um mit Blume, Weinblatt, Frucht. 

Sie sprechen nicht die Sprache nur des Jahres. 
Aus Dunkel steigt ein buntes Offenbares 
und hat vielleicht den Glanz der Eifersucht

der Toten an sich, die die Erde stärken. 
Was wissen wir von ihrem Teil an dem? 
Es ist seit lange ihre Art, den Lehm 
mit ihrem freien Marke zu durchmärken.

Nun fragt sich nur: tun sie es gern?... 
Drängt diese Frucht, ein Werk von schweren Sklaven, 
geballt zu uns empor, zu ihren Herrn?

Sind sie die Herrn, die bei den Wurzeln schlafen, 
und gönnen uns aus ihren Überflüssen 
dies Zwischending aus stummer Kraft und Küssen?

(aus: Sonette an Orpheus, Teil I Nr. 14, 1922)

O diese Lust, immer neu, aus gelockertem Lehm! 
Niemand beinah hat den frühesten Wagern geholfen. 
Städte entstanden trotzdem an beseligten Golfen,
Wasser und Öl füllten die Krüge trotzdem.

Götter, wir planen sie erst in erkühnten Entwürfen, 
die uns das mürrische Schicksal wieder zerstört. 
Aber sie sind die Unsterblichen. Sehet, wir dürfen 
jenen erhorchen, der uns am Ende erhört.

Wir, ein Geschlecht durch Jahrtausende: Mütter und Väter,
immer erfüllter von dem künftigen Kind, 
dass es uns einst, übersteigend, erschüttere, später.

Wir, wir unendlich Gewagten, was haben wir Zeit! 
Und nur der schweigsame Tod, der weiß, was wir sind 
und was er immer gewinnt, wenn er uns leiht.

(aus: Sonette an Orpheus, Teil II Nr. 24, 1922)

Du dunkelnder Grund, geduldig erträgst du die Mauern. 
Und vielleicht erlaubst du noch eine Stunde den Städten zu dauern 
und gewährst noch zwei Stunden den Kirchen und einsamen Klöstern 
und lässest fünf Stunden noch Mühsal allen Erlöstern 
und siehst noch sieben Stunden das Tagwerk des Bauern -:

Eh du wieder Wald wirst und Wasser und wachsende Wildnis 
        in der Stunde der unfaßlichen Angst, 
        da du dein unvollendetes Bildnis 
           von allen Dingen zurückverlangst.

Gieb mir noch eine kleine Weile Zeit: ich will die Dinge so wie keiner                                                                                                             lieben, 
        bis sie dir alle würdig sind und weit. 
        Ich will nur sieben Tage, sieben 
        auf die sich keiner noch geschrieben, 
           sieben Seiten Einsamkeit.

Wem du das Buch giebst, welches die umfaßt, 
der wird gebückt über den Blättern bleiben. 
Es sei denn, daß du ihn in Händen hast, 
   um selbst zu schreiben.

(aus: Das Stundenbuch - Das Buch vom Mönchischen Leben, 1899)

Der Schutzengel

Du bist der Vogel, dessen Flügel kamen, 
wenn ich erwachte in der Nacht und rief. 
Nur mit den Armen rief ich, denn dein Namen 
ist wie ein Abgrund, tausend Nächte tief. 
Du bist der Schatten, drin ich still entschlief, 
und jeden Traum ersinnt in mir dein Samen, - 
du bist das Bild, ich aber bin der Rahmen, 
der dich ergänzt in glänzendem Relief. 

Wie nenn ich dich? Sieh, meine Lippen lahmen. 
Du bist der Anfang, der sich groß ergießt, 
ich bin das langsame und bange Amen, 
das deine Schönheit scheu beschließt. 

Du hast mich oft aus dunklem Ruhn gerissen, 
wenn mir das Schlafen wie ein Grab erschien 
und wie Verlorengehen und Entfliehn, - 
da hobst du mich aus Herzensfinsternissen 
und wolltest mich auf allen Türmen hissen 
wie Scharlachfahnen und wie Draperien. 
Du: der von Wundern redet wie vom Wissen 
und von den Menschen wie von Melodien 
und von den Rosen: von Ereignissen, 
die flammend sich in deinem Blick vollziehn, - 
du Seliger, wann nennst du einmal Ihn, 
aus dessen siebentem und letztem Tage 
noch immer Glanz auf deinem Flügelschlage 
verloren liegt... 
Befiehlst du, daß ich frage? 


Aus: Das Buch der Bilder

 

Daß wir erschraken, da du starbst, nein, 

daß dein starker Tod uns dunkel unterbrach,
das Bisdahin abreißend vom Seither:
das geht uns an; das einzuordnen wird
die Arbeit sein, die wir mit allem tun.

 


Das erste Vorgefühl von Ewigem:
Zeit haben zur Liebe!


Wie einer, der auf fremden Meeren fuhr, 

so bin ich bei den ewig Einheimischen; 
die vollen Tage stehn auf ihren Tischen, 
mir aber ist die Ferne voll Figur. 

In mein Gesicht reicht eine Welt herein, 
die vielleicht unbewohnt ist wie ein Mond, 
sie aber lassen kein Gefühl allein, 
und alle ihre Worte sind bewohnt. 

Die Dinge, die ich weither mit mir nahm, 
sehn selten aus, gehalten an das Ihre -: 
in ihrer großen Heimat sind sie Tiere, 
hier halten sie den Atem an vor Scham. 


Aus: Das Buch der Bilder

Nachts

Nachts kommen die besten Gedanken, denn ...

nachts bin ich die größte Dichterin mit wunderschönen Worten,

nachts bin ich die größte Querdenkerin mit gut formulierten Gedanken und Erklärungen,

nachts bin ich die größte Philosophin mit allen Weisheiten dieser Welt,

nachts bin ich der klügste Mensch, der auf alles eine Antwort weiß,

nachts bin ich nahezu perfekt in allem was ich tue und denke,

doch sobald Licht in die Dunkelheit fällt ist alles wieder weg

und macht der Vergesslichkeit Platz und ich bin tags die größte Unvollkommenheit.

 

Liegt es daran, dass man vor lauter Licht nichts sieht

und nur in der Dunkelheit Geist und Seele erleuchtet sind?

Kerki

Blaue Hortensie

So wie das letzte Grün in Farbentiegeln
sind diese Blätter, trocken, stumpf und rauh,
hinter den Blütendolden,die ein Blau
nicht auf sich tragen,
nur von ferne spiegeln.

Sie spiegeln es verweint und ungenau,
als wollen sie es wiederum verlieren,
und wie in alten blauen Briefpapieren
ist Gelb in ihnen, Violett und Grau.

Verwaschnes wie an einer Kinderschürze,
Nichtmehrgetragnes, dem nichts mehr geschieht:
wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze.

Doch plötzlich scheint das Blau sich zu verneuern
in einer von den Dolden, und man sieht
ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen.

Rainer Maria Rilke

Ein Tag ohne ein Lächeln ist ein verlorener Tag

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